
Therapieablauf - Was viele Patient:innen nicht wissen
Wer erstmals eine Psychotherapie beginnt, weiß oft nicht genau, wie der Ablauf eigentlich aussieht. Viele stellen sich vor, dass die Behandlung nach dem ersten Gespräch sofort startet – in der Realität gibt es jedoch klare Strukturen und gesetzlich geregelte Schritte. Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt.
Am Anfang steht die Sprechstunde. Hier geht es darum, erste Fragen zu klären: Welche Beschwerden bestehen? Ist eine Psychotherapie sinnvoll? Oder gibt es vielleicht auch andere hilfreiche Angebote?
In dieser Phase wird eine erste diagnostische Einschätzung vorgenommen. Sie dient sowohl der Orientierung der Patient:innen als auch der Therapeut:innen.
Auf die Sprechstunde folgen probatorische Sitzungen. Diese Probesitzungen haben mehrere Funktionen:
Symptomatik vertiefen: Die Beschwerden werden genauer erfasst.
Diagnostik: Es können standardisierte Testverfahren zum Einsatz kommen.
Kennenlernen: Patient:in und Therapeut:in prüfen, ob die Chemie stimmt und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist.
Wichtig zu wissen: Wenn die „Chemie“ nicht stimmt, können Patient:innen die probatorischen Stunden auch bei einem anderen Behandler wiederholen. Genau dafür sind sie gedacht – um sicherzustellen, dass ein gutes Fundament für die therapeutische Beziehung gelegt wird. Denn diese Beziehung ist einer der entscheidendsten Faktoren für den Therapieerfolg.
Ein wichtiger Teil der probatorischen Phase ist die biografische Anamnese. Hier geht es darum, die persönliche Lebensgeschichte zu erheben. Denn: Unsere Biografie prägt uns – mit unseren Stärken, aber auch mit Erfahrungen, die zu Belastungen führen können.
Typische Themen sind:
Herkunftsfamilie und Kindheit
prägende Lebensereignisse
frühere und aktuelle Beziehungen
bisherige Bewältigungsstrategien
Das Ziel ist, Muster zu erkennen und die individuelle Entwicklung besser zu verstehen.
Nach Abschluss der probatorischen Phase entscheiden Patient:in und Therapeut:in gemeinsam, ob eine Psychotherapie begonnen werden soll.
Wichtige Faktoren sind dabei:
Stimmt die persönliche Passung („Chemie“)?
Ist eine Therapie inhaltlich sinnvoll und aussichtsreich?
Bei privater Krankenversicherung oder Beihilfe kann es Unterschiede geben:
Manchmal reicht ein einfaches Formular.
In anderen Fällen wird ein anonymisierter Bericht an einen externen Gutachter geschickt.
Manche Versicherungen übernehmen die Kosten ohne weitere Formalitäten.
Viele gesetzlich Versicherte fragen nach dem sogenannten Kostenerstattungsverfahren. Grundsätzlich wäre es möglich, eine Behandlung in einer Privatpraxis auf diesem Wege abrechnen zu lassen. Allerdings sind die bürokratischen Hürden inzwischen so hoch, dass dies in einer voll ausgelasteten Praxis organisatorisch nicht mehr leistbar ist.
Ich biete diese Möglichkeit daher nicht mehr an und verweise auf die 116117 sowie die Kassenärztliche Vereinigung, wo Sie freie Vertragspsychotherapeut:innen in Ihrer Nähe finden können.
CAVE: Der Unterschied zwischen Vertrags- und Privatpsychotherapeut:innen liegt nicht in der Qualifikation, sondern einzig darin, ob ein sogenannter Kassensitz erworben wurde oder nicht. Alle approbierten Psychotherapeut:innen, unabhängig von Praxisstatus, haben die gleiche Ausbildung und Fachkompetenz.
Die Kosten für Psychotherapie sind in Deutschland umsatzsteuerbefreit, da es sich um eine heilkundliche Tätigkeit handelt (§ 4 Nr. 14 UStG). Wenn Patient:innen die Kosten selbst tragen (z. B. Selbstzahler:innen), können diese im Rahmen der Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden – ähnlich wie Arztrechnungen.
Die Höhe der Honorare ist nicht willkürlich, sondern richtet sich nach der Gebührenordnung für Ärzte und Psychotherapeuten (GOÄ/GOP). Diese Vorgaben sind transparent einsehbar und schaffen für Patient:innen eine klare Orientierung. In meiner Praxis erfolgt die Abrechnung in der Regel quartalsweise, sodass Sie einen übersichtlichen Nachweis über die angefallenen Leistungen erhalten.
Davon klar zu unterscheiden ist Coaching:
Es handelt sich nicht um eine heilkundliche, sondern um eine beratende Tätigkeit.
Deshalb fällt – sofern nicht die Kleinunternehmerregelung greift – 19 % Umsatzsteuer auf das Honorar an.
Coaching-Kosten können steuerlich nur dann berücksichtigt werden, wenn ein klarer beruflicher Bezug vorliegt. Dann sind sie als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar.
👉 Genau deshalb ist der Unterschied zwischen Psychotherapie und Coaching wichtig: Die steuerliche Behandlung weicht erheblich voneinander ab.
Wenn alle Formalitäten geklärt sind, startet die eigentliche Behandlung. Je nach Bedarf stehen unterschiedliche Umfänge zur Verfügung:
Kurzzeittherapie: 24 Sitzungen
Langzeittherapie: 60 bis 80 Sitzungen (Ausnahmen für mehr Sitzungen möglich)
Die Sitzungen finden in der Regel einmal pro Woche statt.
Der Weg in eine Psychotherapie ist klar strukturiert – von der Sprechstunde über die probatorischen Sitzungen bis zur eigentlichen Behandlung. Viele Patient:innen sind überrascht, wie wichtig die erste Phase für Diagnostik, Anamnese und das gegenseitige Kennenlernen ist.
Und: Niemand muss nach den ersten Terminen „festgelegt“ sein. Probatorische Sitzungen können auch bei einem anderen Behandler in Anspruch genommen werden. Entscheidend ist, dass Vertrauen, Offenheit und eine gute Zusammenarbeit möglich sind. Nur so kann Psychotherapie nachhaltig wirken.
Sie möchten mehr über den Ablauf einer Psychotherapie erfahren oder sind unsicher, ob eine Behandlung für Sie sinnvoll ist? Vereinbaren Sie gerne ein Erstgespräch in meiner Privatpraxis Redemoment: gemeinsam finden wir den passenden Weg.