Liebeskummer – Wenn das Herz schmerzt, egal ob in der Liebe oder in der Freundschaft


By: Julia Benner
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Liebeskummer – Wenn das Herz schmerzt, egal ob in der Liebe oder in der Freundschaft
Ein psychologischer Blick auf Verlust, Schmerz und Heilung
Liebeskummer ist ein universelles Gefühl, das Menschen in unterschiedlichsten Lebensphasen trifft. Meist wird er mit dem Ende einer romantischen Beziehung assoziiert – der Trennung von einem Partner oder einer Partnerin, dem Verlust einer emotional tiefen Bindung. Doch das Phänomen des „Herzschmerzes“ reicht weit über die klassische romantische Liebe hinaus. Auch enge Freundschaften können Brüche erleben, die ähnlich intensiv und schmerzhaft empfunden werden.
Was ist Liebeskummer eigentlich?
Aus psychologischer Sicht beschreibt Liebeskummer einen Zustand emotionaler Belastung, ausgelöst durch den Verlust oder die Nichterfüllung einer zwischenmenschlichen Bindung. Er kann Symptome wie Traurigkeit, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Antriebslosigkeit, aber auch Wut, Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit umfassen. In extremen Fällen kann Liebeskummer sogar depressive Zustände begünstigen oder verstärken.
Der amerikanische Psychologe Dr. Guy Winch beschreibt Liebeskummer als „eine Form des emotionalen Traumas“, das das Selbstwertgefühl massiv erschüttern kann. In seinem Buch „How to Fix a Broken Heart“ weist er darauf hin, dass die neuronalen Aktivitäten, die bei Liebeskummer stattfinden, jenen ähneln, die bei körperlichem Schmerz auftreten.
Liebeskummer als echter Schmerz – was sagt die Forschung?
Eine häufig zitierte Studie der Columbia University (Kross et al., 2011) nutzte bildgebende Verfahren (fMRI), um zu untersuchen, wie das Gehirn auf sozialen Schmerz reagiert. Die Ergebnisse zeigten, dass das Areal, das bei körperlichem Schmerz aktiviert wird – insbesondere der sekundäre somatosensorische Kortex und die hintere Insula – auch bei sozialem Ausschluss und Trennung stark aktiv ist. Der Volksmund hat also recht, wenn er sagt: „Liebeskummer tut weh.“
Liebeskummer in Freundschaften – ein unterschätzter Schmerz
Während romantischer Liebeskummer gesellschaftlich weithin anerkannt ist, wird der Schmerz über eine verlorene oder enttäuschte Freundschaft oft weniger ernst genommen. Doch Studien zeigen, dass enge Freundschaften ähnliche emotionale Bindungssysteme aktivieren wie romantische Beziehungen.
Eine Studie von Fehr et al. (2000) zur Natur von Freundschaften beschreibt sie als „freiwillige Bindungen, die auf Vertrauen, Fürsorge und Gegenseitigkeit beruhen“. Wenn diese fundamentalen Aspekte verletzt werden – etwa durch Verrat, Entfremdung oder einseitiges Engagement – kann das psychisch genauso belastend sein wie das Ende einer romantischen Beziehung.
Der Unterschied liegt häufig nicht in der Intensität des Verlusts, sondern in der gesellschaftlichen Validierung: Während man sich bei einer Trennung auf Mitgefühl und Unterstützung verlassen kann, wird ein „Freundschaftskummer“ häufig bagatellisiert.
Warum Liebeskummer so intensiv erlebt wird
Bindungstheoretisch betrachtet (Bowlby, 1969) ist der Mensch ein „Bindungswesen“. Wir suchen Nähe, Sicherheit und emotionale Resonanz bei anderen. Der Verlust einer solchen Bindung – egal ob romantisch oder freundschaftlich – wird als bedrohlich für unser inneres Gleichgewicht erlebt. Besonders bei Menschen mit unsicherem Bindungsstil (ängstlich oder vermeidend) kann Liebeskummer intensiver und langanhaltender sein.
Auch neurobiologische Faktoren spielen eine Rolle: Während der Verliebtheit und in tiefen Freundschaften werden Neurotransmitter wie Dopamin, Oxytocin und Serotonin ausgeschüttet – Botenstoffe, die für Glücksgefühle und Vertrauen sorgen. Bricht eine Beziehung ab, gerät dieses Gleichgewicht ins Wanken, was emotionale und körperliche Symptome auslösen kann.
Wie man mit Liebeskummer umgehen kann – psychologische Impulse
- Akzeptanz des Schmerzes: Vermeidung oder Verdrängung verzögern den Heilungsprozess. Liebeskummer ist ein legitimer Schmerz, der Raum braucht.
- Soziale Unterstützung: Gespräche mit empathischen Menschen helfen, Gedanken zu ordnen und emotionale Entlastung zu finden.
- Struktur im Alltag: Regelmäßige Routinen stabilisieren und helfen, nicht in Grübelschleifen zu verfallen.
- Emotionale Selbstfürsorge: Achtsamkeit, Schreiben oder kreative Ausdrucksformen können helfen, die eigenen Gefühle zu verarbeiten.
- Professionelle Hilfe: Wenn der Kummer über Wochen nicht abnimmt oder depressive Symptome überwiegen, kann eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll sein.
Und wenn der Kummer bleibt? – Der therapeutische Blick
In den meisten Fällen heilt Liebeskummer mit der Zeit. Doch manchmal bleibt der Schmerz bestehen oder verstärkt sich – vor allem, wenn ungelöste Bindungserfahrungen, Selbstwertprobleme oder depressive Tendenzen mitschwingen. Wird Liebeskummer nicht verarbeitet, kann er das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Anpassungsstörungen erhöhen.
An dieser Stelle kann eine psychotherapeutische Begleitung wertvolle Unterstützung bieten. In einer Verhaltenstherapie kann gemeinsam reflektiert werden, welche Gedanken- und Verhaltensmuster den Schmerz aufrechterhalten – und wie man neue Wege findet, um mit Enttäuschung, Verlust und innerem Rückzug umzugehen. Dabei geht es nicht nur darum, den aktuellen Schmerz zu lindern, sondern auch um langfristige emotionale Resilienz und persönliche Entwicklung.
In meiner Privatpraxis Redemoment ist Liebeskummer – ob in der romantischen Liebe oder in der Freundschaft – ein häufiges Thema, das ich ernst nehme. Die Erfahrung zeigt: Wer sich traut, auch seelischen Schmerz in Worte zu fassen, kann nicht nur heilen, sondern an Krisen wachsen.
Denn manchmal ist es genau dieses Reden, das zum entscheidenden Wendepunkt wird: vom inneren Rückzug hin zu neuer Verbindung – zu sich selbst und zu anderen.