Redemoment Psychotherapie

Unerfüllter Kinderwunsch & Psychotherapie – Unterstützung und emotionale Begleitung

Unerfüllter Kinderwunsch und Psychotherapie: Wenn Sehnsucht zur Belastung wird – Julia Benner   Der Kinderwunsch ist selten nur ein Plan. Für viele Menschen ist er ein Gefühl, ein Lebensentwurf, ein Stück Identität. Wer sich ein Kind wünscht, sehnt sich nach Nähe, Verbundenheit und Sinn. Wenn dieser Wunsch sich nicht erfüllt, kann das ganze Leben ins Wanken geraten. Plötzlich scheint es, als würden alle anderen schwanger werden, während man selbst auf der Stelle tritt. Familienfeste werden zur Herausforderung, beiläufige Fragen wie „Und wann ist es bei euch so weit?“ zu kleinen Stichen, die tief treffen. In Deutschland betrifft das Thema rund jedes zehnte Paar (Wischmann, 2024). Trotzdem wird es häufig verschwiegen. Scham, Schuldgefühle und die Angst, auf Unverständnis zu stoßen, sorgen dafür, dass viele Betroffene ihre Verzweiflung im Stillen tragen. Dabei ist gerade dieses Schweigen Teil der Last. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch etwas verändert: Immer mehr Menschen, darunter auch bekannte Persönlichkeiten und Influencer:innen, sprechen offen über ihre Kinderwunschreise, über Hormonbehandlungen, Fehlversuche, Fehlgeburten und darüber, was diese Zeit seelisch mit ihnen macht. Diese Offenheit schafft Verbundenheit, sie nimmt dem Thema das Stigma und ermutigt andere, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Psychotherapie kann ein solcher Ort sein :  ein Raum, in dem man sich nicht erklären oder rechtfertigen muss.   Sehnsucht als unterschätzte Belastung  Ein unerfüllter Kinderwunsch ist mehr als eine medizinische Herausforderung. Er kann das emotionale Gleichgewicht zutiefst erschüttern. Viele Betroffene beschreiben die Zeit als ein ständiges Auf und Ab zwischen Hoffnung und Enttäuschung, begleitet von der Angst, dass der eigene Körper versagt. Manche erleben die Monate in Zyklen, in denen jede Blutung zum Symbol für das, was nicht gelungen ist, wird. Und jede neue Behandlung wird zur Projektionsfläche für Hoffnung, jeder negative Test zu einem kleinen Zusammenbruch. Es ist ein Kreislauf aus Warten, Hoffen, Bangen und Loslassen und in jedem Zyklus liegt ein Moment des Abschieds. Diese wiederkehrende Trauer ist besonders schwer, weil sie keinen sichtbaren Ausdruck hat. Es gibt kein Ritual, kein offizielles Ende, keine gesellschaftliche Sprache für diesen Verlust. Und doch ist er real. Manche Betroffene erzählen, dass sie sich nach jeder erfolglosen Behandlung innerlich verabschieden müssen, z.B. von einem vielleicht schon geahnten Leben, einem Bild, das für einen kurzen Moment existiert hat. Psychologisch betrachtet handelt es sich um eine kumulative Trauer, die sich über Monate und Jahre aufbauen kann. Studien wie jene von Thanscheidt et al. (2023) zeigen, dass diese Form der emotionalen Dauerbelastung nicht nur zu Erschöpfung, sondern auch zu depressiven Symptomen führen kann. Sie zeigen, dass sowohl Frauen als auch Männer psychisch stark belastet sind. Auch Partnerschaften geraten in Mitleidenschaft. Nicht selten fühlen sich beide Seiten unverstanden und emotional voneinander entfernt, obwohl sie dasselbe Ziel haben. Solche Erfahrungen sind keine Schwäche. Sie sind Ausdruck eines tiefen seelischen Konflikts, in dem sich Hoffnung, Verlust und Selbstzweifel überlagern. Häufig berichten Betroffene: „Ich erkenne mich selbst nicht wieder – mein Leben dreht sich nur noch um den Kinderwunsch.“ „Jedes Mal, wenn eine Freundin schwanger wird, habe ich das Gefühl, versagt zu haben.“ „Wir streiten uns mehr, obwohl wir eigentlich dasselbe wollen.“   Diese Aussagen zeigen, wie sehr unerfüllter Kinderwunsch auch u.a. das Selbstwertgefühl und die Beziehung erschüttern kann.   Eine Seele, die leidet und wie Psychotherapie hilft Psychotherapie bietet die Möglichkeit, Worte für das zu finden, was sonst unausgesprochen bleibt. Sie hilft, das emotionale Chaos zu sortieren und einen Umgang mit Gefühlen zu entwickeln, die zunächst überwältigend erscheinen. Sie hilft Trauer zu erkennen, anzunehmen und zu verarbeiten. Sie schafft einen Raum, in dem Hoffnung und Schmerz nebeneinander existieren dürfen. Wer sich erlaubt zu trauern, entlastet nicht nur die Seele, sondern auch den Körper. Denn unausgesprochene Gefühle binden enorme Energie und verstärken Stress .Eine große Meta-Analyse von Kremer, Ditzen und Wischmann (2023) belegt, dass psychologische Unterstützung die seelische Belastung bei unerfülltem Kinderwunsch deutlich reduzieren und den Verlauf medizinischer Behandlungen positiv beeinflussen kann. Paare, die begleitet werden, brechen seltener ab und empfinden die Zeit der Behandlung als weniger zermürbend. In der Psychotherapie geht es darum, wieder in Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen und Grenzen zu kommen, belastende Gedanken zu erkennen und zu verändern, Gefühle zu regulieren und Selbstfürsorge zu entwickeln. Wenn Paare sich entfremdet haben, kann eine gemeinsame paartherapeutische Begleitung helfen, die gegenseitige Perspektive zu verstehen und wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Eine stabile emotionale Verfassung ist nicht nur psychisch entlastend, sondern auch physiologisch bedeutsam. Chronischer Stress und anhaltende innere Anspannung wirken sich negativ auf hormonelle Prozesse aus. Wenn Menschen lernen, mit Enttäuschungen, Ängsten und Scham anders umzugehen, entsteht ein inneres Milieu, das den Körper entlastet und günstige Bedingungen für eine mögliche Empfängnis schafft. Studien zeigen, dass ein ausgeglichener emotionaler Zustand und ein reduziertes Stressniveau mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche reproduktionsmedizinische Behandlungen einhergehen. Die Verhaltenstherapie hat sich in diesem Bereich besonders bewährt. Sie ist wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisnah. Gemeinsam werden konkrete Bewältigungsstrategien entwickelt, die helfen, mit den emotionalen Höhen und Tiefen umzugehen. Eine Patientin, die ich einige Zeit begleitet habe, hatte bereits mehrere erfolglose Behandlungszyklen hinter sich. Selbst die Kinderwunschklinik wusste keinen neuen Ansatz mehr und empfahl eine psychotherapeutische Unterstützung. Nach einer Fehlgeburt war die Hoffnung fast erloschen. Die Frau hatte Angst vor Familienfeiern, Angst vor einem erneuten Versuch, aber auch Angst davor, den großen Wunsch loszulassen. Sie fürchtete, kein anderes Thema mehr zu haben, und hatte Sorge, ihr Partner könnte sich irgendwann abwenden, wenn sie nicht „funktioniert“. Kurz gesagt: ihr Leben bestand fast nur noch aus Angst. In der Therapie arbeiteten wir zunächst daran, den Selbstwert wieder aufzubauen. Es ging darum, innere Stärke zurückzugewinnen und Denkflexibilität zu fördern, also Raum zu schaffen zwischen „ganz oder gar nicht“, zwischen Hoffnung und Selbstschutz. Mit der Zeit lernte sie, den Druck loszulassen, sich selbst wieder als eigenständige Person wahrzunehmen und Momente der Leichtigkeit zuzulassen. Sie entschied sich, die Kinderwunschbehandlung für ein Quartal zu pausieren und sich in dieser Zeit ausschließlich auf die Psychotherapie zu konzentrieren. Als sie nach einigen Monaten einen neuen Versuch startete, wurde sie schwanger. Heute hält sie ihren Sohn in den Armen  und nannte ihn mir gegenüber scherzhaft ihr „Therapiebaby“. Solche Verläufe lassen

Das stille Leiden der Funktionierenden – wenn Stärke zur Maske wird

Das stille Leiden der Funktionierenden – Wenn Stärke zur Maske wird. – Julia Benner Man sieht es ihnen nicht an: Sie sind zuverlässig, freundlich, hilfsbereit. Sie haben ihr Leben im Griff, erfüllen Erwartungen, sind da, wenn andere sie brauchen. Sie lächeln, auch wenn sie müde sind. Sie hören zu, obwohl sie selbst kaum mehr Kraft haben. Und sie sagen: „Es geht schon“, auch wenn längst nichts mehr geht. Nach außen scheint alles stabil. Arbeit, Beziehungen, Alltag. Alles funktioniert.Doch innerlich hat sich etwas verändert. Die Gedanken kreisen, der Körper ist angespannt, die Freude ist leiser geworden. Nächte sind unruhig, Erholung gelingt kaum noch.Es ist, als wäre das Leben in Bewegung, aber man selbst darin starr geworden. Viele spüren, dass etwas nicht stimmt, können es aber kaum benennen.Es ist keine klassische Depression, keine dramatische Krise. Es ist dieses stille, kaum sichtbare Leiden: das Gefühl, zu funktionieren, statt zu leben. Dieses „Funktionieren“ sieht aus wie Stärke. In Wahrheit ist es oft eine über Jahre gelernte Überlebensstrategie. Sie schützt, aber sie entfremdet.Denn wer zu lange funktioniert, verliert irgendwann das Gespür dafür, was er wirklich braucht.   Warum wir funktionieren Viele lernen früh, dass Anpassung Sicherheit bedeutet.„Sei brav“, „sei stark“, „mach keinen Ärger“ – Botschaften, die sich tief ins Nervensystem einprägen. Wer spürt, dass Liebe und Anerkennung an Leistung oder Anpassung geknüpft sind, entwickelt ein feines Radar dafür, was andere erwarten  und blendet eigene Bedürfnisse zunehmend aus. Im Erwachsenenleben wird dieses Muster oft belohnt: Engagement, Belastbarkeit, Selbstkontrolle. Doch was nach außen nach Stabilität aussieht, ist innerlich häufig Spannung. Das Nervensystem bleibt im Dauer-Funktionsmodus ,  eine Art chronische Alarmbereitschaft, die Erschöpfung im Hintergrund erzeugt. Studien zeigen: Rund 60 % der berufstätigen Deutschen geben an, regelmäßig das Gefühl zu haben, „nur noch zu funktionieren“ (TK-Stressstudie 2024). Bei den 30- bis 49-Jährigen, der Lebensphase maximaler Mehrfachbelastung, sind es sogar fast 70 %. Gleichzeitig berichten mehr als die Hälfte der Befragten, sie hätten Schwierigkeiten, abzuschalten oder emotionale Erschöpfung rechtzeitig zu erkennen. Dazu kommt der gesellschaftliche Kontext: Leistung ist Währung, Schwäche ein Makel. Wer erschöpft ist, sucht die Schuld meist bei sich selbst. Also wird weitergemacht, nur noch etwas kontrollierter, strukturierter, perfekter. Ein weiterer Grund, warum viele Menschen funktionieren, liegt in der tiefen Angst, die Kontrolle zu verlieren. Kontrolle vermittelt Sicherheit. Wer in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem Stimmungen wechselhaft oder Grenzen unklar waren, hat oft gelernt: Nur wer alles im Griff behält, bleibt sicher. Dieses innere Programm läuft weiter, auch wenn es längst nicht mehr schützt, sondern erschöpft. Und auch innere Überzeugungen leisten ihren dysfunktionalen Beitrag. Gedanken wie „Ich darf keine Schwäche zeigen“ oder „Wenn ich es nicht mache, macht es keiner“ treiben an, selbst dann, wenn der Körper längst nach Pause ruft. Solche Glaubenssätze wirken wie unsichtbare Regler, die das Tempo hochhalten, auch wenn längst kein Ziel mehr sichtbar ist. Chronischer Stress verändert die Reizverarbeitung. Das Gehirn schaltet in ein Muster ständiger Alarmbereitschaft. Ruhe wird dann unbewusst als Bedrohung interpretiert. Das erklärt, warum viele in Pausen innere Unruhe empfinden.   Wenn Stärke zur Maske wird Menschen, die „funktionieren“, erkennen sich selten in klassischen Burnout- oder Depressionsbildern wieder. Sie sind zu sehr in Bewegung, zu sehr in Verantwortung. Ihr Schutzmechanismus ist Aktivität. Laut DAK-Gesundheitsreport 2024 ist die Zahl der Arbeitsausfälle durch psychische Erkrankungen in den letzten zehn Jahren um 48 % gestiegen. Besonders häufig: Erschöpfungsdepressionen und Anpassungsstörungen. Krankheitsbilder, die oft lange Zeit unbemerkt bleiben, weil Betroffene äußerlich „noch funktionieren“. Typische Anzeichen sind:   Rationalisierung: „Anderen geht es viel schlechter.“ Selbstabwertung: „Ich stelle mich nur an.“ Überanpassung: Bedürfnisse werden zurückgestellt, Konflikte vermieden. Körperliche Signale: Verspannungen, diffuse Schmerzen, Herzklopfen, Erschöpfung – ohne „erklärbaren“ Befund.   Das Problem: Die Maske funktioniert auch gegenüber sich selbst. Emotionen werden nicht mehr gespürt, sondern gemanagt. Die innere Stimme, die sagt „mir ist das zu viel“, wird übertönt vom nächsten To-do. Mit der Zeit entsteht eine leise Entfremdung vom eigenen Erleben. Beziehungen werden anstrengender,  Nähe fühlt sich überfordernd an, weil sie Authentizität verlangt. Freude wird seltener, weil sie nicht planbar ist. Der Körper zieht irgendwann die Reißleine: Schlaflosigkeit, Infektanfälligkeit, chronische Schmerzen. Laut Robert-Koch-Institut (RKI, Gesundheitsbericht 2023) erlebt etwa jede vierte Frau und jeder sechste Mann in Deutschland im Laufe des Lebens eine depressive Episode, oft nach Jahren der Überlastung oder des inneren „Funktionierens“. Und psychisch?Viele berichten von innerer Leere. Nicht unbedingt Traurigkeit , eher das Fehlen von Lebendigkeit. Ein stilles, unterschwelliges „nichts mehr richtig fühlen können“. Es ist der Preis einer jahrelangen Übersteuerung des Nervensystems und einer zu perfekten Selbstkontrolle. Eine meiner Patientinnen,  Mitte dreißig, ist erfolgreich im Beruf und beliebt im Freundeskreis. Niemand würde vermuten, dass sie abends oft erschöpft auf dem Sofa sitzt und sich innerlich leer fühlt.Sie sagt: „Ich funktioniere einfach. Ich lächle, ich arbeite, ich mache Sport, aber ich fühle nichts mehr richtig.“ Im Verlauf der Therapie wurde deutlich, wie früh sie gelernt hatte, stark zu sein. Sie wollte nie zur Last fallen, immer Leistung bringen, immer Kontrolle behalten.Dieses Muster hatte sie weit gebracht,beruflich und sozial. Aber innerlich war es still geworden. Für sie begann Heilung in dem Moment, in dem sie nicht mehr versuchte, besser zu funktionieren. Sie erlaubte sich, zu fühlen. Zuerst kam Erschöpfung. Dann Unsicherheit. Und schließlich etwas, das lange keinen Platz hatte: echtes Erleben!    Der Weg zurück zu sich selbst Heilung beginnt meist nicht mit großen Schritten, sondern mit Erlaubnis: Der Erlaubnis, nicht immer zu funktionieren. Der Erlaubnis, Pausen zuzulassen, Grenzen zu setzen, Hilfe anzunehmen. Psychotherapeutisch bedeutet das: Den Funktionsmodus zu verstehen, statt ihn zu verurteilen.Er war einmal notwendig. Aber er ist nicht mehr zeitgemäß. In der Arbeit mit Patient:innen und Klient:innen geht es darum, emotionale Wahrnehmung wieder zu aktivieren, alte Glaubenssätze („ich muss stark sein“) zu überprüfen und Körperempfindungen als Signale statt als Störung zu begreifen. Erholung ist kein Luxus. Sie ist Voraussetzung dafür, dass das Leben wieder spürbar wird.Das bestätigen auch neurobiologische Studien: Schon 20 Minuten bewusster Entlastung pro Tag (z. B. über Atemübungen oder achtsame Bewegung) senken messbar die Cortisolspiegel und verbessern Emotionsregulation und Schlafqualität (Hölzel et al., Harvard 2023).   Warum Entlastung nicht Leistungsabfall bedeutet Viele Menschen fürchten, dass das Innehalten

Zwischen Swipe und Sehnsucht – Dating in der heutigen Zeit aus psychotherapeutischer Sicht

Zwischen Swipe und Sehnsucht – Dating in der heutigen Zeit aus psychotherapeutischer Sicht – Julia Benner Dating hat sich in den letzten zehn Jahren radikal verändert. Was früher auf Partys, im Café oder im Freundeskreis begann, startet heute oft mit einem Wisch nach rechts. Während Dating-Apps scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten bieten, erleben viele Menschen – darunter auch meine Klient:innen in der Hafencity-Praxis – zunehmende Orientierungslosigkeit, Selbstzweifel und emotionale Erschöpfung. Als Psychotherapeutin mit Schwerpunkt auf kognitiver Verhaltenstherapie sehe ich immer wieder, wie sich moderne Beziehungsanbahnung auf das psychische Wohlbefinden auswirkt – positiv wie negativ. In meiner Praxis in der Hamburger Hafencity – wo ich Menschen aus den unterschiedlichsten Lebenswelten begleite, vom beruflich stark Eingebundenen bis zur alleinerziehenden Mutter oder dem frisch getrennten Mittvierziger – zeigt sich immer wieder: Die Art, wie wir heute daten, sagt viel über unsere Beziehung zu uns selbst aus. 1. Die Illusion der Auswahl – zu viel des Guten? Moderne Dating-Plattformen funktionieren nach dem Prinzip der ständigen Verfügbarkeit. Wer heute datet, hat theoretisch Zugang zu Hunderten potenziellen Partner:innen – jederzeit, überall. Doch die psychologische Forschung zeigt: Eine zu große Auswahl kann Entscheidungsprozesse lähmen. Der sogenannte choice overload führt dazu, dass wir uns schwerer festlegen, schneller Zweifel entwickeln und Beziehungen häufig gar nicht erst eine echte Chance geben. Zu viele Optionen führen oft nicht zu besseren Entscheidungen, sondern zu mehr Unsicherheit und einem ständigen Gefühl, etwas zu verpassen (FOMO). Ich höre in der Praxis häufig Sätze wie: „Irgendwie weiß ich gar nicht mehr, was ich eigentlich suche.“ Oder: „Ich fange etwas an – aber sobald es verbindlich wird, zweifle ich.“ Hier lohnt es sich, innezuhalten: Geht es wirklich um das Gegenüber – oder um eine tiefere Angst, sich festzulegen oder verletzt zu werden? 2. Das digitale Ich vs. das echte Ich Besonders im Coaching-Bereich erlebe ich, wie sehr das „Dating-Selbst“ sich vom realen Selbst unterscheiden kann. Das eigene Profil ist oft eine kuratierte Version, in der Schwächen, Unsicherheiten und Tiefe kaum Platz haben. Gleichzeitig wird Authentizität erwartet – ein paradoxes Spiel. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, schildern mir häufig die Angst vor Verletzlichkeit: Wer bin ich hinter dem Erfolg, wenn ich wirklich gesehen werde? Diese Frage stellt sich im Dating-Kontext besonders intensiv – und kann zu Rückzug, Perfektionismus oder innerer Leere führen. 3. Bindungsangst 2.0 – Nähe in einer unverbindlichen Welt Die Verhaltenstherapie kennt das Konzept der sicheren Bindung als zentrale Ressource für psychisches Wohlbefinden. Doch moderne Dating-Kultur ist oft geprägt von Ghosting, Breadcrumbing und Benching – Begriffe, die eine neue Sprache für alte Ängste liefern: Angst vor Nähe, Angst vor Ablehnung, Angst vor dem Alleinsein. In der therapeutischen Arbeit betrachte ich diese Phänomene nicht nur als „Datingprobleme“, sondern als Spiegel tiefer liegender Beziehungsmuster bzw. als Ausdruck von Bindungserfahrungen, die oft in der Kindheit geprägt wurden. Die gute Nachricht: Diese Muster sind veränderbar – wenn wir beginnen, sie bewusst wahrzunehmen. 4. Selbstwert, Einsamkeit und die Suche nach Bedeutung Viele Menschen, die zu mir kommen – ob Ende 20 oder Mitte 50 – erzählen von einer Erschöpfung durch das ständige Daten. Die ständige Anspannung, jemandem gefallen zu wollen, das Enttäuschtwerden, das Gefühl von Austauschbarkeit – all das kann aufs Gemüt schlagen. Dabei zeigt sich immer wieder: Hinter der Dating-Müdigkeit steckt oft ein tiefer Wunsch nach echter Verbindung. Nach gesehen werden, nach Sicherheit, nach Liebe. Und dieser Wunsch ist menschlich – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Lebensstil. 5. Dating als Spiegel innerer Arbeit – eine Einladung zur Selbstreflexion Aus psychotherapeutischer Perspektive ist Dating mehr als die Suche nach dem passenden Gegenüber – es ist eine Bühne, auf der sich Beziehungsmuster, Bedürfnisse und Verletzungen zeigen. Eine bewusste Auseinandersetzung mit eigenen Mustern, Grenzen und Wünschen ist daher zentral. Ich ermutige meine Klient:innen, Dating nicht als Prüfung zu sehen, sondern als Lernfeld. Was lerne ich über mich? Welche alten Themen zeigen sich? Wo bin ich zu schnell – oder zu vorsichtig? Und wie kann ich bewusst neue, gesunde Erfahrungen machen? Fazit: Bewusst daten – statt nur wischen Dating in der heutigen Zeit ist herausfordernd – aber auch eine Einladung zur Selbstreflexion. Es fordert uns, bewusster mit uns selbst und anderen in Beziehung zu treten. Wer bereit ist, hinter die Kulissen von Profilbildern und Smalltalk zu blicken, findet nicht nur potenzielle Partner:innen, sondern auch tiefe Einblicke in sich selbst und zu innerem Wachstum.Denn am Ende geht es nicht um den perfekten Match – sondern um echte Verbindung. Mit anderen. Und mit sich selbst.

Depression im Sommer – wenn die Sonne den Schatten nicht vertreibt

Depression im Sommer – wenn die Sonne den Schatten nicht vertreibt – Julia Benner Im Sommer scheint alles leichter: Die Tage sind länger, die Temperatur steigt, und aus unserer gesellschaftlichen Erwartung heraus „sollten“ wir jetzt unbeschwert sein – am Strand liegen, Grillabende genießen und in guter Stimmung durch die Stadt flanieren. Doch eine wachsende Zahl von Menschen empfindet genau das Gegenteil: Trotz der sonnigen Monate bleibt die Stimmung gedrückt, Antriebslosigkeit und innere Leere kehren nicht in den Schatten. In meiner Privatpraxis Redemoment begegne ich Patient*innen, die über genau dieses Phänomen klagen: Depression im Hochsommer. Im Folgenden möchte ich auf die Hintergründe eingehen, Betroffenen Mut machen und zugleich erläutern, wie eine psychotherapeutische Begleitung auf dem Weg aus dem Sommerdunkel aussehen kann. 1. Warum bleibt die Stimmung im Sommer bedrückt? 1.1 Biologische und neurophysiologische Aspekte Obwohl die Sommermonate meist mit positiven Assoziationen belegt sind, verlaufen bei depressiven Erkrankungen die neurobiologischen Vorgänge nicht automatisch umgekehrt zu jenen im Winter. Ein wesentlicher Faktor ist die individuelle Vulnerabilität im Serotonin- und Cortisolstoffwechsel. Hohe Außentemperaturen führen bei empfindsamen Menschen zu einer verstärkten Ausschüttung von Cortisol, was längerfristig zu einem Stresszustand und damit zu depressiven Symptomen beitragen kann12. Weiterhin haben neuere Untersuchungen nahegelegt, dass sehr hohe Temperaturen und Hitzeperioden mit einer erhöhten Sterblichkeit durch psychische Krisen einhergehen – ein Hinweis darauf, dass Hitze selbst einen depressiven Verstärkereffekt haben kann3. 1.2 Psychosoziale Faktoren: Druck zur „guten Laune“ Eine zentrale Ursache für das Empfinden „Ich müsste mich besser fühlen, nur weil Sommer ist“ ist der soziale Druck. Aktuelle Umfragen zeigen, dass fast die Hälfte aller Befragten (48 %) im Sommer negative psychische Symptome berichtet, obwohl sie es anders erwarten würden4. Die ständige Konfrontation mit heiteren Urlaubsfotos von Freunden und Bekannten in den sozialen Medien verstärkt das Gefühl, ausgegrenzt oder unzulänglich zu sein, wenn man selbst keine beschwingten Erlebnisse teilt5. Dieses Spannungsfeld zwischen persönlicher Wirklichkeit und gesellschaftlichem Ideal erzeugt häufig Schuld- und Schamgefühle. 1.3 Persönliche und biografische Einflüsse Für manche Menschen sind die Sommermonate emotional durch belastende Erinnerungen geprägt: Ein Verlust, eine gescheiterte Beziehung oder familiäre Konflikte, die sich aus der intensiven Aufmerksamkeit und den gemeinsamen Aktivitäten im Sommer ergeben. Solche biografischen Assoziationen können eine saisonunabhängige Depression befeuern, sodass der warme Sonnenschein die innere Dunkelheit nicht vertreibt. 2. Typische Anzeichen – wenn Selbstzweifel nicht schwinden Wer den Eindruck hat, dass die gute Sommerstimmung an ihm vorbeizieht, fühlt sich oft verunsichert: Woran erkenne ich, ob es mehr ist als nur ein vorübergehendes Tief? Wesentliche Symptome einer depressionstypischen Grundstimmung, die auch im Sommer auftreten, sind: Anhaltende Niedergeschlagenheit, selbst wenn äußere Bedingungen (Sonne, Freizeit) eigentlich Anlass zur Freude geben sollten. Verlust von Interesse oder Lust an Aktivitäten, die früher einmal Freude gemacht haben, etwa Gartenarbeit, Treffen mit Freunden oder Ausflüge. Schlechter Schlaf: Einerseits gleicht die hohe Temperatur oft einem Störfaktor, andererseits besteht eine anhaltende innere Unruhe, die nicht zur Ruhe kommen lässt. Konzentrations­störungen, Gefühl der Überforderung, wenn einfache Aufgaben plötzlich schwerfallen. Körperliche Begleitsymptome: Chronische Müdigkeit, Kopf­schmerzen oder Appetitmangel – auch ohne eine Erkrankung, die körperlich erklärbar wäre.   Eine aktuelle Studie der CDC (August 2021 – August 2023) zeigt, dass 13,1 % aller Erwachsenen mindestens eine depressive Episode innerhalb von zwei Wochen berichteten, unabhängig von der Jahreszeit6. Dies belegt, dass Depression eine Erkrankung ist, die sich nicht einfach aus den Sommer­monaten „herauslüpft“, sondern kontinuierlich bestehen kann. 3. Die psychischen Konsequenzen des Kluftgefühls 3.1 Schuld- und Schamgefühle In einer Welt, in der Social-Media-Feeds von glücklichen Urlaubsbildern überlaufen, entstehen Schuldgefühle: „Warum genieße ich nicht, was andere genießen?“ Dieses „Versagen“ erzeugt zusätzliche Anspannung, die die depressive Grundstimmung weiter festigt und zu einer sich selbst verstärkenden Spirale führt7. 3.2 Rückzug und soziale Isolation Ironischerweise zieht sich der Betroffene oft zurück, um den Erwartungsdruck zu vermeiden – doch dies verstärkt das Gefühl von Einsamkeit. Studien belegen, dass soziale Unterstützung einer der stärksten protektiven Faktoren gegen Depression ist (Holt-Lunstad et al., 2015)8. Wenn aber gerade im Sommer die sozialen Verpflichtungen „spaßig“ sein sollen und man selbst sich nicht in der Lage dazu fühlt, entsteht ein tiefer Riss zur Umwelt. 3.3 Leistungsdruck und Selbstwertprobleme Viele glauben, der Sommer biete Raum für Freizeit und Entspannung – tatsächlich spielt aber die Erwartung, in dieser Zeit besonders leistungsfähig, vital und attraktiv zu sein, eine Rolle. Wer darunter mental zusammenbricht, erlebt ein starkes Selbstwertdefizit: Die Vorstellung „Eigentlich sollte ich jetzt meine Energie zurückgewinnen“ kollidiert mit dem Erleben: „Ich habe nicht genug Kraft, um den Tag zu meistern.“ Dieser Konflikt kann zu einer tieferen depressiven Verstärkung führen und im schlimmsten Fall Suizidgedanken triggern. Deshalb ist es so wichtig, depressive Signale frühzeitig ernst zu nehmen – auch dann, wenn das Wetter schön ist. 4. Psychotherapeutische Hilfe: Wege aus der Sommerdepression 4.1 Psychoedukation – Verstehen, was im Inneren passiert Ein erster, essenzieller Schritt ist die Aufklärung: Depression ist keine Frage der Jahreszeit, sondern eine biologische und psychische Erkrankung. Betroffene zu informieren, dass ihre Symptome valide sind und nicht auf persönlichem Versagen beruhen, nimmt Schuldgefühle. In der Praxis Redemoment wird zu Beginn abgeklärt, wie ausgeprägt die Symptomatik ist (z. B. mittels Beck-Depressions-Inventar, BDI-II). Dadurch wird eine individuelle Basis für den Therapieplan geschaffen. 4.2 Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) – Gedanken und Gefühle neu gestalten Die KVT zählt zu den am besten belegten Verfahren bei Depression (Hofmann et al., 2012)9. Im Sommer fokussieren wir uns auf: Geleitete Entspannungsübungen können helfen, die körperliche Unruhe zu reduzieren. Atemübungen im Freien, um eine achtsame Verbindung zur Umgebung herzustellen – etwa den Wind an der Elbe spüren, ohne das Gedankenkreisen zu verstärken. 4.4 Soziale Vernetzung und Selbsthilfe Gemeinsam mit Betroffenen erarbeite ich Strategien, wie sie ihre sozialen Kontakte gezielt aufrechterhalten können, ohne in einen Freizeit-„Pflichttermin“-Modus zu geraten. Studien zeigen, dass soziale Anbindung einen direkten Einfluss auf die Kurskorrektur depressiver Symptome hat (Holt-Lunstad et al., 2015). In Hamburg etwa gibt es zahlreiche Freizeitgruppen (Yogakurse, Lauftreffs), die keine Leistungs­orientierung haben, sondern neben dem Sport den Gemeinschaftsaspekt betonen. 4.5 Schwerpunkt „Selbstmitgefühl“ Viele meiner Patient*innen leiden unter einem strengen inneren Kritiker, der im Sommer besonders laut wird: „Ich hätte doch die Energie haben müssen, rauszugehen.“ Hier liegt ein Ansatz über Übungen zum Selbstmitgefühl (Neff, 2003): Statt sich selbst

Mitarbeiterführung neu gedacht: Psychologische Perspektiven zur Potentialmaximierung im Arbeitsalltag

Mitarbeiterführung neu gedacht: Psychologische Perspektiven zur Potentialmaximierung im Arbeitsalltag – Julia Benner Führung bedeutet heute mehr als Zielvorgaben und Leistungskontrollen. In einer zunehmend komplexen Arbeitswelt zeigt sich: Die Art und Weise, wie Führungskräfte mit ihren Mitarbeitenden umgehen, hat direkten Einfluss auf Motivation, Engagement und Leistungsfähigkeit. Doch wie lässt sich das volle Potential eines Teams wirklich entfalten – und was hat Psychotherapie & Coaching damit zu tun? In diesem Beitrag werfen wir einen psychologischen Blick auf moderne Mitarbeiterführung, fundiert mit aktuellen Studien und praxisnahen Erkenntnissen. 1. Führung beginnt im Kopf – und im Herzen Psychologische Sicherheit ist ein zentrales Element erfolgreicher Teams. Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, beschreibt sie als „das gemeinsame Gefühl im Team, dass man keine Angst haben muss, sich zu äußern oder Fehler zuzugeben“ (Edmondson, 1999). Ihre Forschung zeigt: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind innovativer, produktiver und resilienter gegenüber Stress. Für Führungskräfte bedeutet das: Empathie, aktives Zuhören und eine offene Fehlerkultur sind keine „Soft Skills“, sondern strategische Kernkompetenzen. 2. Motivation entsteht durch Sinn und Autonomie Laut der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2000) sind drei psychologische Grundbedürfnisse entscheidend für Motivation und Potentialentfaltung: Unternehmen, die auf diese Bedürfnisse eingehen, berichten von höherer Mitarbeiterzufriedenheit und geringerer Fluktuation. In einer Umfrage des Gallup-Instituts (2023) gaben 70 % der Befragten an, dass sie mehr Leistung erbringen würden, wenn sie sich bei der Arbeit wertgeschätzt fühlen. 3. Emotionale Intelligenz als Führungsinstrument Emotionale Intelligenz (EQ) – die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen und zu steuern – ist laut Daniel Goleman ein entscheidender Prädiktor für Führungserfolg (Goleman, 2004). Führungskräfte mit hohem EQ schaffen es, Konflikte konstruktiv zu lösen, Vertrauen aufzubauen und ein förderliches Arbeitsklima zu etablieren. In einer Studie der TalentSmart Group (2022) zeigte sich: 90 % der Top-Performer in Unternehmen verfügen über ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz. 4. Potentialmaximierung durch achtsame Führung Moderne Führungskräfte profitieren zunehmend von psychotherapeutischen Konzepten wie Achtsamkeit und Resilienztraining. Studien belegen: Achtsamkeitstraining reduziert nicht nur den Stress bei Führungskräften, sondern fördert auch empathisches Verhalten und klare Entscheidungsprozesse (Good et al., 2016, Harvard Business Review). Ein Beispiel aus der Praxis: In Unternehmen, die achtsame Führung implementiert haben, sank die Burnout-Rate signifikant und die Zufriedenheit im Team stieg messbar (Hülsheger et al., 2013). 5. Psychologisch fundiertes Coaching und Führung – ein unterschätzter Zusammenhang Coaching mit psychotherapeutischem Know-How ist nicht nur hilfreich bei individuellen Krisen, sondern bietet auch eine tiefere Reflexion über Rollen, Muster und Beziehungsgestaltung – zentrale Aspekte erfolgreicher Führung. In Einzelsitzungen mit Führungskräften arbeite ich in meiner Praxis Redemoment gezielt an Themen wie: Denn: Wer sich selbst gut führen kann, kann auch andere besser führen. Fazit: Führung ist Beziehung – und beginnt bei sich selbst Die Zukunft erfolgreicher Führung liegt nicht allein in Methoden oder Tools, sondern in der inneren Haltung. Empathie, Selbstreflexion und psychologisches Wissen sind Schlüssel zur Potentialmaximierung – nicht nur der Mitarbeitenden, sondern auch der Führungskraft selbst. Haben Sie Interesse an einem individuellen Coaching oder therapeutischen Begleitprozess zum Thema Führung?In der Privatpraxis Redemoment in Hamburg biete ich maßgeschneiderte psychotherapeutische Unterstützung für Führungskräfte, die ihr eigenes Wachstum mit dem ihres Teams verbinden möchten. Quellen:

Liebeskummer – Wenn das Herz schmerzt, egal ob in der Liebe oder in der Freundschaft

Liebeskummer – Wenn das Herz schmerzt, egal ob in der Liebe oder in der Freundschaft – Julia Benner Ein psychologischer Blick auf Verlust, Schmerz und Heilung Liebeskummer ist ein universelles Gefühl, das Menschen in unterschiedlichsten Lebensphasen trifft. Meist wird er mit dem Ende einer romantischen Beziehung assoziiert – der Trennung von einem Partner oder einer Partnerin, dem Verlust einer emotional tiefen Bindung. Doch das Phänomen des „Herzschmerzes“ reicht weit über die klassische romantische Liebe hinaus. Auch enge Freundschaften können Brüche erleben, die ähnlich intensiv und schmerzhaft empfunden werden. Was ist Liebeskummer eigentlich? Aus psychologischer Sicht beschreibt Liebeskummer einen Zustand emotionaler Belastung, ausgelöst durch den Verlust oder die Nichterfüllung einer zwischenmenschlichen Bindung. Er kann Symptome wie Traurigkeit, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Antriebslosigkeit, aber auch Wut, Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit umfassen. In extremen Fällen kann Liebeskummer sogar depressive Zustände begünstigen oder verstärken. Der amerikanische Psychologe Dr. Guy Winch beschreibt Liebeskummer als „eine Form des emotionalen Traumas“, das das Selbstwertgefühl massiv erschüttern kann. In seinem Buch „How to Fix a Broken Heart“ weist er darauf hin, dass die neuronalen Aktivitäten, die bei Liebeskummer stattfinden, jenen ähneln, die bei körperlichem Schmerz auftreten. Liebeskummer als echter Schmerz – was sagt die Forschung? Eine häufig zitierte Studie der Columbia University (Kross et al., 2011) nutzte bildgebende Verfahren (fMRI), um zu untersuchen, wie das Gehirn auf sozialen Schmerz reagiert. Die Ergebnisse zeigten, dass das Areal, das bei körperlichem Schmerz aktiviert wird – insbesondere der sekundäre somatosensorische Kortex und die hintere Insula – auch bei sozialem Ausschluss und Trennung stark aktiv ist. Der Volksmund hat also recht, wenn er sagt: „Liebeskummer tut weh.“ Liebeskummer in Freundschaften – ein unterschätzter Schmerz Während romantischer Liebeskummer gesellschaftlich weithin anerkannt ist, wird der Schmerz über eine verlorene oder enttäuschte Freundschaft oft weniger ernst genommen. Doch Studien zeigen, dass enge Freundschaften ähnliche emotionale Bindungssysteme aktivieren wie romantische Beziehungen. Eine Studie von Fehr et al. (2000) zur Natur von Freundschaften beschreibt sie als „freiwillige Bindungen, die auf Vertrauen, Fürsorge und Gegenseitigkeit beruhen“. Wenn diese fundamentalen Aspekte verletzt werden – etwa durch Verrat, Entfremdung oder einseitiges Engagement – kann das psychisch genauso belastend sein wie das Ende einer romantischen Beziehung. Der Unterschied liegt häufig nicht in der Intensität des Verlusts, sondern in der gesellschaftlichen Validierung: Während man sich bei einer Trennung auf Mitgefühl und Unterstützung verlassen kann, wird ein „Freundschaftskummer“ häufig bagatellisiert. Warum Liebeskummer so intensiv erlebt wird Bindungstheoretisch betrachtet (Bowlby, 1969) ist der Mensch ein „Bindungswesen“. Wir suchen Nähe, Sicherheit und emotionale Resonanz bei anderen. Der Verlust einer solchen Bindung – egal ob romantisch oder freundschaftlich – wird als bedrohlich für unser inneres Gleichgewicht erlebt. Besonders bei Menschen mit unsicherem Bindungsstil (ängstlich oder vermeidend) kann Liebeskummer intensiver und langanhaltender sein. Auch neurobiologische Faktoren spielen eine Rolle: Während der Verliebtheit und in tiefen Freundschaften werden Neurotransmitter wie Dopamin, Oxytocin und Serotonin ausgeschüttet – Botenstoffe, die für Glücksgefühle und Vertrauen sorgen. Bricht eine Beziehung ab, gerät dieses Gleichgewicht ins Wanken, was emotionale und körperliche Symptome auslösen kann. Wie man mit Liebeskummer umgehen kann – psychologische Impulse Und wenn der Kummer bleibt? – Der therapeutische Blick In den meisten Fällen heilt Liebeskummer mit der Zeit. Doch manchmal bleibt der Schmerz bestehen oder verstärkt sich – vor allem, wenn ungelöste Bindungserfahrungen, Selbstwertprobleme oder depressive Tendenzen mitschwingen. Wird Liebeskummer nicht verarbeitet, kann er das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Anpassungsstörungen erhöhen. An dieser Stelle kann eine psychotherapeutische Begleitung wertvolle Unterstützung bieten. In einer Verhaltenstherapie kann gemeinsam reflektiert werden, welche Gedanken- und Verhaltensmuster den Schmerz aufrechterhalten – und wie man neue Wege findet, um mit Enttäuschung, Verlust und innerem Rückzug umzugehen. Dabei geht es nicht nur darum, den aktuellen Schmerz zu lindern, sondern auch um langfristige emotionale Resilienz und persönliche Entwicklung. In meiner Privatpraxis Redemoment ist Liebeskummer – ob in der romantischen Liebe oder in der Freundschaft – ein häufiges Thema, das ich ernst nehme. Die Erfahrung zeigt: Wer sich traut, auch seelischen Schmerz in Worte zu fassen, kann nicht nur heilen, sondern an Krisen wachsen. Denn manchmal ist es genau dieses Reden, das zum entscheidenden Wendepunkt wird: vom inneren Rückzug hin zu neuer Verbindung – zu sich selbst und zu anderen.

Die Wechselwirkung von Stimmung und Leistungsfähigkeit: Ein wissenschaftlich fundierter Blick auf Selbstwert und Lebenszufriedenheit

Die Wechselwirkung von Stimmung und Leistungsfähigkeit: Ein wissenschaftlich fundierter Blick auf Selbstwert und Lebenszufriedenheit – Julia Benner Unsere psychische Verfassung beeinflusst in erheblichem Maße unsere kognitive Leistungsfähigkeit und unser allgemeines Wohlbefinden. Forschungen aus der Neuropsychologie zeigen, dass positive Emotionen nicht nur das Wohlbefinden steigern, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit und Problemlösefähigkeiten verbessern (Fredrickson, 2001). Gleichzeitig kann ein instabiles Selbstwertgefühl zu Stimmungsschwankungen führen, die sich wiederum negativ auf die Motivation und das Durchhaltevermögen auswirken. Ebenso hat sich gezeigt, dass eine dauerhaft gedrückte Stimmung mit einer erhöhten Cortisolausschüttung korreliert, was langfristig zu kognitiven Defiziten und einer verringerten Stressresistenz führen kann (McEwen, 2007). Der Einfluss der Stimmung auf die Leistungsfähigkeit Die Forschung belegt, dass unsere Stimmung maßgeblich bestimmt, wie effektiv wir arbeiten und wie kreativ wir Probleme lösen. Fredrickson & Branigan (2005) fanden heraus, dass positive Emotionen die kognitive Flexibilität fördern und die Verarbeitungskapazität des Gehirns erweitern. Dies zeigt sich insbesondere in Berufen, die ein hohes Maß an Kreativität und Entscheidungsfindung erfordern. Negative Emotionen hingegen können den Fokus verengen und zu einer rigideren Informationsverarbeitung führen (Bolte et al., 2003). Dies kann kurzfristig nützlich sein – etwa bei der Lösung klar definierter, analytischer Aufgaben – langfristig jedoch die Adaptivität und Innovationskraft einschränken. Selbstwert als Schlüsselvariable für Lebenszufriedenheit Ein weiteres zentrales Element ist der Selbstwert, der stark mit sowohl emotionalem Wohlbefinden als auch Leistungsfähigkeit verknüpft ist. Studien zeigen, dass Menschen mit einem stabilen Selbstwert weniger anfällig für stressbedingte Leistungseinbrüche sind (Orth et al., 2010), resistenter gegenüber Misserfolgen und Herausforderungen konstruktiver bewältigen können.  Häufig wird Selbstwert mit beruflichem Erfolg assoziiert, doch diese Verknüpfung birgt Risiken.Wie Selbstwert definiert wird, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Studien zeigen, dass eine bedingte Selbstwertregulation – also ein Selbstwert, der primär von externen Erfolgen wie beruflichen Leistungen abhängt – zu einer erhöhten Anfälligkeit für Stress, Angst und depressive Symptome führen kann (Crocker & Park, 2004). Im Gegensatz dazu sind Personen mit einem sogenannten kontingenten Selbstwertgefühl weniger stark von externen Faktoren abhängig. Sie weisen eine gesündere Emotionsregulation auf und zeigen eine größere psychische Widerstandsfähigkeit. Deci und Ryan (2000) postulieren in ihrer Selbstbestimmungstheorie, dass ein stabiler Selbstwert aus intrinsischer Motivation und authentischer Selbstakzeptanz resultiert, während extrinsisch motivierte Leistungsziele oft zu Unsicherheit und einem instabilen Selbstwert führen. Langzeitstudien bestätigen, dass Selbstwert nicht nur eine Konsequenz, sondern auch eine Ursache von Erfolg ist: Eine Metaanalyse von Orth & Robins (2014) zeigt, dass ein gesunder Selbstwert langfristig zu besseren akademischen und beruflichen Leistungen führt, während umgekehrt beruflicher Erfolg nur einen geringen Einfluss auf die langfristige Stabilität des Selbstwertgefühls hat. Die Wechselwirkung zwischen Selbstwert und Stimmung: Ein Risikofaktor für depressive Symptome Ein weiterer besonders bedeutsamer Aspekt ist die gegenseitige Beeinflussung von Selbstwert und Stimmung. Forschungsergebnisse zeigen, dass ein niedriger Selbstwert nicht nur eine Folge depressiver Verstimmungen sein kann, sondern oft auch als Ursache für die Entstehung von Depressionen fungiert. Die Vulnerabilitätsmodell-Hypothese (Orth et al., 2008) beschreibt, dass Menschen mit einem geringen Selbstwert ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung depressiver Symptome haben, da sie negative Erfahrungen stärker auf sich selbst beziehen und sich in negativen Gedankenmustern verfangen. Eine Langzeitstudie von Sowislo & Orth (2013) bestätigt, dass ein niedriger Selbstwert langfristig depressive Symptome vorhersagt – und nicht umgekehrt. Das bedeutet, dass ein instabiler oder niedrig ausgeprägter Selbstwert eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Depressionen spielt. Gleichzeitig können depressive Zustände den Selbstwert weiter senken, was einen Teufelskreis aus negativen Gedanken, Antriebslosigkeit und Selbstzweifeln entstehen lässt. Dieser Mechanismus hat erhebliche Konsequenzen für die psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Menschen mit einer negativen Selbstbewertung neigen dazu, sich selbst strenger zu bewerten und Fehlschläge als persönliche Unzulänglichkeiten zu interpretieren (Beck, 1967). Dies kann zu anhaltender Frustration, Demotivation und letztlich zur Entwicklung depressiver Episoden führen, die nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die berufliche und akademische Leistungsfähigkeit weiter erheblich beeinträchtigen. Verhaltenstherapeutische Ansätze zur Förderung von Selbstwert und Leistungsfähigkeit Die Privatpraxis Redemoment setzt auf verhaltenstherapeutische Strategien, um den Klienten zu einem nachhaltig gesunden Selbstwert zu verhelfen. Ein zentrales Konzept dabei ist die kognitive Umstrukturierung, die darauf abzielt, dysfunktionale Gedankenmuster zu identifizieren und durch realistische, selbstförderliche Bewertungen zu ersetzen. Dies basiert auf den Erkenntnissen der Kognitiven Verhaltenstherapie (Beck, 1976), die nachweislich eine hohe Wirksamkeit in der Behandlung von Selbstwertproblemen und stressbedingten Leistungseinbrüchen zeigt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Entwicklung eines sogenannten „nicht-kontingenten“ Selbstwerts, bei dem Individuen lernen, ihren Wert nicht nur aus ihrer beruflichen oder akademischen Leistung abzuleiten, sondern auch aus persönlichen Stärken, sozialen Beziehungen und sinnstiftenden Tätigkeiten (Kernis, 2003). Dieser Ansatz hilft dabei, die emotionale Abhängigkeit von externen Erfolgen zu reduzieren und somit langfristig zu einer stabileren psychischen Gesundheit beizutragen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist das Training der Selbstmitgefühlspraxis, welche nachweislich die negativen Effekte eines geringen Selbstwerts abmildern kann. Neff (2011) zeigte, dass Menschen mit hohem Selbstmitgefühl weniger anfällig für Selbstkritik sind und sich schneller von Misserfolgen erholen. Leistung und Ehrgeiz als zentrale, aber nicht alleinige Faktoren für Zufriedenheit Wichtig ist jedoch die Differenzierung: Die Erkenntnisse über Selbstwert und emotionale Stabilität bedeuten nicht, dass Ehrgeiz und Leistungsstreben irrelevant sind. Im Gegenteil: Ein hoher Grad an Zielorientierung ist mit höherer Lebenszufriedenheit und beruflichem Erfolg assoziiert. Allerdings ist entscheidend, dass Ehrgeiz nicht auf einer übermäßigen Abhängigkeit von externer Anerkennung basiert. Die Forschung zeigt, dass intrinsisch motivierte Personen, die ihre Ziele aus eigenem Antrieb verfolgen, langfristig eine größere Zufriedenheit und Resilienz aufweisen als solche, die stark auf externe Belohnungen angewiesen sind (Deci & Ryan, 2000). Fazit: Ein balanciertes Konzept für nachhaltige Leistungsfähigkeit Die wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen also, dass eine nachhaltige Leistungsfähigkeit nicht nur von Fleiß und Ehrgeiz abhängt, sondern auch von der Fähigkeit, die eigene Stimmung zu regulieren und einen stabilen Selbstwert zu entwickeln. Da Selbstwert und Stimmung sich gegenseitig beeinflussen, kann eine negative Spirale entstehen, die zu depressiven Symptomen führen kann. Präventive Maßnahmen – wie die Stärkung des Selbstwerts und das Erlernen emotionaler Regulationsstrategien – sind daher essenziell, um langfristig leistungsfähig und psychisch stabil zu bleiben. Es ist nicht das Ziel, Ehrgeiz oder Leistungsorientierung abzuwerten. Vielmehr geht es darum, eine gesunde Balance zwischen ambitioniertem Streben und innerer Zufriedenheit zu finden. Ein ganzheitlicher Ansatz, wie er in meiner Privatpraxis Redemoment verfolgt wird, unterstützt Menschen dabei, ihre Leistungsfähigkeit