Wenn die Diagnose alles verändert: Psychische Unterstützung bei schweren Erkrankungen


By: Julia Benner
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Wenn die Diagnose alles verändert: Psychische Unterstützung bei schweren Erkrankungen
Wenn die Diagnose alles verändert: Psychische Unterstützung bei schweren Erkrankungen
Eine schwerwiegende körperliche Erkrankung – wie etwa eine Krebserkrankung – betrifft nie nur den Körper. Sie trifft den Menschen in seiner Ganzheit: emotional, mental, existenziell. Oft verändert sich von einem Moment auf den anderen das gesamte Leben. Für die Betroffenen ebenso wie für ihre Angehörigen.
Viele empfinden die Zeit der Diagnose, Therapie und Nachsorge als einen Ausnahmezustand, in dem Sicherheit, Zukunftsperspektiven und gewohnte Rollen ins Wanken geraten. Genau hier setzt psychotherapeutische bzw. psychoonkologische Begleitung an , als wertvolle Unterstützung, um innerlich stabil zu bleiben oder es wieder zu werden.
Was ist Psychoonkologie?
Die Psychoonkologie ist ein spezialisiertes Teilgebiet der Psychotherapie, das sich mit den emotionalen, sozialen und existenziellen Herausforderungen im Rahmen einer Krebserkrankung beschäftigt. Doch auch bei anderen schweren chronischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Herzinsuffizienz oder chronischen Schmerzen kann psychische Begleitung essenziell sein.
Laut einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums entwickeln etwa ein Drittel aller Krebspatient:innen im Verlauf der Erkrankung eine behandlungsbedürftige psychische Störung , am häufigsten Depressionen oder Angststörungen (Mehnert et al., 2014). Dabei sind psychische Belastung und Krankheitsverlauf eng miteinander verknüpft: Emotionale Stabilität fördert nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Therapietreue und Selbstfürsorge.
Viele Patient:innen erleben nach der Diagnose einen inneren Schock , gefolgt von emotionaler Überforderung, Ängsten und dem Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Gefühle wie Wut, Scham, Schuld oder Hoffnungslosigkeit sind ebenso häufig wie kreisende Gedanken über Therapie, Sterblichkeit oder das „Danach“.
Eine Metaanalyse von Faller et al. (2013) zeigt: Psychotherapeutische Interventionen führen bei Krebspatient:innen signifikant zu einer Reduktion von Depressivität und Angst sowie zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
Therapie hilft dabei:
- sich im emotionalen Chaos zu orientieren
- mit Kontrollverlust und Unsicherheit umzugehen
- Kraftquellen (wieder) zu entdecken
- medizinische Informationen besser zu verarbeiten
- neue Perspektiven für ein verändertes Leben zu entwickeln
Auch körpernahe Methoden wie achtsamkeitsbasierte Verfahren oder imaginative Techniken sind nachweislich wirksam, wie etwa das „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (MBSR), das in Studien zu messbaren Verbesserungen der Stressresistenz und emotionalen Stabilität führte (Carlson et al., 2014).
Für Angehörige: Zwischen Verantwortung, Hilflosigkeit und Selbstverlust
Nicht selten stehen Angehörige unter doppeltem Druck: Sie wollen trösten, stützen, organisieren und gleichzeitig selbst mit der eigenen Angst und Erschütterung klarkommen. Studien zeigen, dass Angehörige von Krebspatient:innen mindestens ebenso stark psychisch belastet sein können wie die Patient:innen selbst (Pitceathly & Maguire, 2003).
Psychotherapie oder Angehörigenberatung kann helfen:
- Gefühle wie Überforderung, Schuld oder Erschöpfung zuzulassen
- Grenzen liebevoll und klar zu setzen
- mit der Sprachlosigkeit umzugehen
- die Beziehung zum erkrankten Menschen bewusst zu gestalten
- sich selbst nicht zu verlieren – auch in der Rolle als „Stütze“
Gerade in der palliativen Phase oder nach einem Verlust kann therapeutische Begleitung auch dabei helfen, Trauerprozesse nicht zu verdrängen, sondern sie als Teil eines individuellen Wachstumsprozesses zu integrieren.
Psychische Gesundheit ist kein Luxus – sondern Teil der Behandlung
Psychische Belastung ist kein Randthema, sondern medizinisch relevant. Die S3-Leitlinie „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung“ (AWMF, 2014) empfiehlt ausdrücklich eine strukturierte psychologische Begleitung von Betroffenen und Angehörigen. Auch in der evidenzbasierten Versorgung chronisch Erkrankter wird zunehmend erkannt, dass emotionale Resilienz ein wesentlicher Einflussfaktor für das Behandlungsergebnis ist (Bennett et al., 2018).
Psychotherapie ist dabei kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck von Mut und Selbstfürsorge – und ein wichtiger Teil einer ganzheitlichen, menschlichen Medizin.
Wie finde ich passende Unterstützung?
In onkologischen Zentren oder großen Kliniken gibt es meist eigene psychoonkologische Dienste. Auch ambulante Psychotherapeut:innen mit Erfahrung im Bereich chronischer Erkrankungen können eine wertvolle Anlaufstelle sein. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten für Erstgespräche oder Gruppenangebote, und ergänzend kann der Austausch in Selbsthilfegruppen das Gefühl vermitteln, nicht allein zu sein. Auch Online-Angebote mit evidenzbasierter psychologischer Unterstützung – wie etwa „Make it Count“ oder „Krebs und Psyche“ – gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Wenn du dich angesprochen fühlst und auf der Suche nach einer begleiteten, psychologisch fundierten Auseinandersetzung mit dem erkrankten Körper, den inneren Reaktionen oder deiner Rolle als Angehörige:r bist, dann findest du in meiner Praxis Redemoment einen geschützten Raum dafür. Ich begleite Menschen in belastenden medizinischen Lebensphasen mit Klarheit, Wertschätzung und therapeutischer Erfahrung, sowohl in Einzelgesprächen als auch in familiären Konstellationen.
Die therapeutische Arbeit orientiert sich dabei nicht nur an deinen Symptomen, sondern an dem, was dich trägt, stärkt und wieder mit deinem inneren Boden verbindet – auch in Zeiten, die dich erschüttern.
Fazit: Auch seelische Wunden brauchen Fürsorge
Schwere Erkrankungen verändern vieles – aber sie können auch einen Raum für neue Perspektiven eröffnen: auf das, was im Leben wirklich zählt. Psychotherapeutische Begleitung ist kein Allheilmittel. Aber sie kann ein stabilisierender Anker sein, ein geschützter Raum für das, was sonst keinen Platz findet, und ein Weg, sich selbst wieder ein Stück näher zu kommen.
Du bist nicht allein. Und du musst da auch nicht allein durch.
Quellen (Auswahl):
- Mehnert, A. et al. (2014). Prevalence of mental disorders in cancer patients: A meta-analysis. Journal of the National Cancer Institute, 106(7).
- Faller, H. et al. (2013). Effectiveness of psycho-oncologic interventions on emotional distress and quality of life in adult patients with cancer: systematic review and meta-analysis. Journal of Clinical Oncology, 31(6), 782–793.
- Carlson, L. E. et al. (2014). Mindfulness-based cancer recovery and supportive-expressive therapy maintain telomere length relative to controls in distressed breast cancer survivors. Cancer, 121(3), 476–484.
- Pitceathly, C., & Maguire, P. (2003). The psychological impact of cancer on patients‘ partners and other key relatives: a review. European Journal of Cancer, 39(11), 1517–1524.
- Deutsche Krebsgesellschaft / AWMF (2014). S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten.
- Bennett, B. et al. (2018). The role of psychosocial factors in chronic disease management: A systematic review. Health Psychology Open.